„Provoziere nicht die Gesellschaft! Das kannst du dir nicht leisten“

Das kurze Leben der Rosemarie Nitribitt

Männerkumpanei und Klassenjustiz

Es gibt eine durchaus belastbare, aber nie sehr konkret verfolgte Täterspur im Stapel gilbbrauner Schreibmaschinenseiten. Sie führt in eine der bekanntesten Industriellendynastien Deutschlands, die der Stahlbarone von Bohlen und Halbach. Der Name Krupp ist besser bekannt.

Polizeibericht
Quelle: "Der Mord an dem Mädchen Rosemarie"; eBook der Funke Mediengruppe, Dietmar Seher, Mai 2014

Die Kunden waren von Rang und Namen. Viele kamen aus dem Geldadel. Wie die Brüder Gunter und Ernst Sachs, Eigentümer der Schweinfurther Kugellagerwerke. Kurt Georg Kiesinger, später Kanzler der ersten Großen Koalition, soll sie Berichten nach besucht haben, der Rennfahrer Huschke von Hanstein und der Milliardär Harald Quandt. Ein anderer Harald jedoch, Harald von Bohlen und Halbach aus Essen und Mit-Erbe des Kruppschen Imperiums, war mehr als nur ein Kunde. Er war, davon zeugen die den Vernehmungsprotokollen beigefügten Briefe im Hessischen Staatsarchiv in Wiesbaden, über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr vor ihrem gewaltsamen Tod ihr Geliebter.

Polizeibericht
Quelle: "Der Mord an dem Mädchen Rosemarie"; eBook der Funke Mediengruppe, Dietmar Seher, Mai 2014

Der Erkennungsdienst hat in Nitribitts Wohnung neben zahlreichen Spermaresten, Notizbüchern und Tonbändern eine angebrochene Flasche Beaujolais gefunden. Daran haften Finger- und Handabdrücke. Das ist eine verräterische Spur, denn Nitribitt war für ihre Ordnungsliebe bekannt. Sie hätte nach einem Herrenbesuch kaum eine Weinflasche offen stehen lassen. Die Handabdrücke könnten vom letzten Besucher stammen – und damit vom Mörder der jungen Frau. Als Harald das Frankfurter Präsidium verlässt, hat man ihm nichts davon erzählt. Das Labor hat noch kein Ergebnis.

Die gefundenen Spuren von reichen Freiern werden von der Frankfurter Polizei nicht weiter verfolgt; erst durch eine Dokumentation 50 Jahre später werden Akten bekannt. Die ermittelnden Polizeibeamten können auch 50 Jahre später keine Tathinweise erkennen.

aus: „Der Fall Rosemarie Nitribitt", ein Film von Helga Dierichs (phoenix); https://www.youtube.com/watch?v=GB04_1ir_LY

Gewalt und Widerstand – Heimerziehung und Fluchten

Rosalia Annemarie Auguste Nitribitt wurde am 1. Februar 1933 in Ratingen bei Düsseldorf als uneheliches Kind geboren. Ihren Vater lernte sie nie kennen. Sie und ihre Schwester Irmgard kamen 1936 “wegen drohender Verwahrlosung” in das Kinderheim St. Josef in Eschweiler und im September 1938 in das Erziehungsheim Düsseldorf-Herdt. Rosemarie wurde im Mai 1939 in einer Pflegefamilie in Niedermendig (Kreis Mayen-Koblenz) untergebracht und erlebt dort zunächst eine unbeschwerte Kindheit..

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Der Film „Das Mädchen Rosemarie“ – Politik und Doppelmoral

Die Dreharbeiten beginnen bereits im April 1958, gerade mal ein halbes Jahr nach Nitribitts Tod. "Ich wurde gewarnt, den Part zu übernehmen", sagt Nadja Tiller SPIEGEL ONLINE. "Ein Verleger aus Österreich und jemand aus der Chefetage des Springer-Verlages riefen mich an und sagten 'Bist du verrückt? Du wirst dich damit ruinieren.'" Zu einer Zeit, da Romy Schneider im Kino die keusche, Rehe herzende "Kaiserin Sissy" gab, sprach Nadja Tiller Drehbuch-Sätze wie "Ich habe 18.000 Mark bekommen - für ein Mal."

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Männerkumpanei und Klassenjustiz

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